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BGH stärkt die Rechte Betroffener bei Negativbewertungen im Internet (Urteil vom 01.03.2016, Az.: VI ZR 34/15)

Der BGH hat heute einige Pflöcke gegen das Unwesen ungeprüfter anonymer Negativbewertungen im Internet eingeschlagen.

Der Betrieb eines Bewertungsportals trägt von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich wie der BGH heute unterstrichen hat. Beklagte in diesem Verfahren war das Ärztebewertungsportal www.jameda.de. Bislang liegt im Fall Az.: VI ZR 34/15 nur die Pressemitteilung des BGH vor, aber diese ist für Betroffene durchaus ein Lichtblick in der ansonsten oft bewerterfreundlichen Rechtsprechung.

I. Die aktuelle Rechtslage

An der grundsätzlichen Zulässigkeit von Bewertungsportalen im Internet bestehen heute keine Zweifel mehr (z.B. BGH, Urteil vom 23.09.2014, BeckRS 2014, 20426 – jameda). Auch die grundsätzliche Zulässigkeit anonymer Bewertungen im Internet ist heute rechtliche Realität. Die Registrierung mit einer beliebigen E-Mail-Adresse ist ausreichend.
Dies erschwert es oft für den Verletzten gegenüber dem Äußernden einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB i.V.m. §§ 823824 BGB bzw. im Wettbewerbsrecht aus §§ 34 Nr. 1 und 8 UWG durchzusetzen. Nach der derzeitigen Rechtslage steht dem Verletzten nämlich grundsätzlich kein Anspruch auf Herausgabe der Nutzerdaten gegenüber Portalbetreibern zu, weil es an einer nach § 12 II TMG notwendigen Rechtsgrundlage die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht und dies erlaubt mangelt (BGH, Urteil vom 01.07.2014, BeckRS 2014, 14783). So muss der Betroffene sich faktisch oft an den Portalbetreiber halten und Beseitigung und Unterlassung für die Zukunft verlangen. Bei strafrechtlich relevanten Persönlichkeitsrechtsverletzungen, z.B. Beleidigungen nach § 185 StGB kann er zudem Anzeige gegen Unbekannt stellen, um dann anwaltlich ggf. im Rahmen der Ermittlungen nach § 406 e I StPO Einsicht in beim Portalbetreiber beschlagnahmte Unterlagen zu nehmen. Verfasser von beleidigenden Bewertungen und Schmähkritiken haben also nicht völlig freie Hand und werden ggf. doch noch persönlich u.a. auf Schadensersatz belangt.
Der Portalbetreiber als Diensteanbieter haftet nach dem TMG aber erst einmal nur für eigene Inhalte oder für solche Inhalte Dritter, die er sich zu eigen gemacht hat. Bei Nutzerbewertungen liegen keine eigenen Inhalte des Portalbetreibers vor und auch ein zu eigen machen wird nur in seltenen Fällen vorliegen. Nach der Entscheidung „Hotelbewertungsportal“ des BGH aus 2015 wird es meist darauf ankommen, ob der Betreiber spezifische Prüfpflichten verletzt hat. Für fremde Inhalte besteht ein Löschungsanspruch wegen § 7 II 2 TMG nach den allgemeinen Gesetzen. Für den Betroffenen heisst dies, dass er den Portalbetreiber von der Rechtsverletzung in Kenntnis setzen muss, was nach der Entscheidung „Blog-Eintrag“ des BGH konkret erfolgen muss. Betroffene sollten sich hier zeitnah an einen Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz wenden um ihre Interessen bestmöglich zu wahren.

II. BGH, Urteil vom 01.03.2016, Az.: VI ZR 34/15

Mit der heutigen Entscheidung in der Sache Az.: VI ZR 34/15 hat der BGH die Pflichten des Betreibers eines Ärztebewertungsportals konkretisiert. Im entschiedenen Fall ging es wie erwähnt um jameda.de. Dort können Nutzer ohne Angabe des Klarnamens Bewertungen anhand einer sich an Schulnoten orientierenden Skala für vorformulierte Kategorien („Behandlung“, „Aufklärung“, „Vertrauensverhältnis“, „genommene Zeit“ und „Freundlichkeit“) und in einem Freitextfeld auch Kommentare hinterlassen. Der BGH hatte über einen Fall zu entscheiden, in welchem der anonyme Bewerter eine Gesamtnote von 4,8 vergeben hat, darunter jeweils die Note „6“ für „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“. Der Kläger hatte bestritten, den Bewertenden überhaupt behandelt zu haben und forderte jameda vorgerichtlich zur Entfernung der Bewertung auf. Die Beklagte hatte die Beanstandung zwar dem Nutzer zugesandt. Die Antwort des Nutzers hierauf leitete sie dem Kläger unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken aber nicht weiter. Die Bewertung verblieb im Portal. Gerichtlich hatte der Kläger dann verlangt, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Erstinstanzlich (LG Köln, Entscheidung vom 09.07.2014, Az.: 28 O 516/13) hat der Kläger obsiegt, aber vor dem OLG war er unterlegen (OLG Köln, Entscheidung vom 16.12.2014, Az.: 15 U 141/14). Der BGH hat diese Entscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen, denn die Beklagte habe ihr obliegende Prüfpflichten verletzt, so der BGH. Der Betrieb eines Bewertungsportals trägt von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich, wie der BGH richtig unterstreicht. Diese Gefahr wird durch den Schutz der Anonymität verstärkt, zumal der Betroffene praktisch nicht gegen den Bewertenden direkt vorgehen kann. Daher hätte die Portalbetreiberin von dem Bewerter verlangen müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen. Zudem hätte die Beklagte die Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, an den Kläger weiterleiten müssen.

Im weiteren Verfahren haben die Parteien nun Gelegenheit ergänzend vorzutragen.

Die Entscheidung des BGH ist sehr zu begrüßen, da Sie dem verbreiteten Unwesen ungeprüfter anonymer Negativbewertungen Grenzen setzt. Wichtig ist, dass der BGH deutlich gemacht hat, dass er es – richtigerweise – für zumutbar hält, dass das Bewertungsportal sich Informationen und Unterlagen zur Nachvollziehbarkeit der Bewertung vorlegen lässt. Eine solche Prüfungspflicht gefährdet weder Geschäftsmodell des Bewertungsportals wirtschaftlich unzumutbar noch erschwert sie dessen Tätigkeit unverhältnismäßig.

Für die Beratung im Einzelfall steht Ihnen Herr Fachanwalt Dr. Jaeschke gern zur Verfügung

Quelle: Bundesgerichtshof (BGH), Pressemitteilung Nr. 049/2016 vom 01.03.2016 zu BGH, Urteil vom 01.03.2016, Az.: VI ZR 34/15; eigene Recherche

UPDATE 18.04.2016:

Mittlerweile liegt das jameda–Urteil des BGH vom 01.03.2016 (Az.: VI ZR 34/15) im Volltext vor. Ich habe das Urteil HIER kommentiert.

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