Nach deutschem Markenrecht ist die rechtserhaltende Benutzung einer Marke durch die Verwendung eines abweichenden Zeichens auch dann möglich, wenn das abweichende Zeichen ebenfalls als Marke eingetragen ist. Dies ist naheliegend, denn es besteht ein erhebliches wirtschaftliches Interesse von Markeninhabern, ihre oft wertvollen älteren Marken zu modernisieren, ohne den Markenschutz und damit die Priorität der älteren nicht mehr benutzten Marke zu verlieren. Leider hatte der EuGH im Jahr 2007 mehr oder weniger klar demgegenüber entschieden, rechtserhaltend werde nur die tatsächlich benutzte – also ggf. prioritätsjüngere – Marke benutzt.
Der BGH hat dem EuGH nun in zwei Verfahren konkrete Fragen zur rechtserhaltenden Benutzung von Marken zur Entscheidung vorgelegt. Die Entscheidung des EuGH hat erhebliche Auswirkungen auf die Markenstrategie, die Markenartikler verfolgen müssen, um ihren Markenschutz nicht in Gefahr zu bringen.
Wenn der EuGH die deutsche Praxis für rechtswidrig erklärt, muss in jedem Einzelfall noch genauer als bislang schon geprüft werden, ob Modernisierungen „alter“ Marken noch neu angemeldet werden.
Das Problem: Wenn die deutsche Regelung nicht mehr anwendbar sein sollte, verfallen u.U. die alten Marken des Markeninhabers oder sie werden durch Betreiben Dritter aus dem Register gelöscht. Die neue Marke des Markeninhabers kann aber u.U. von Dritten angegriffen werden, die über Marken verfügen, die zwar prioritätsjünger als die alten – nun aber keinen Schutz mehr bietenden – Marken des Markeninhabers sind, aber eben älter als die neuen Marken des Markeninhabers. Wenn hier keine maßgeschneiderte Markenstrategie verfolgt wird, hat dies ggf. immense wirtschaftliche Folgen für den Markeninhaber.
Kläger im ersten Verfahren ist der Inhaber der Marke „PROTI“. Er sieht in der Benutzung der Bezeichnung „Protifit“ durch den Beklagten im geschäftlichen Verkehr eine Verletzung seiner Rechte an seiner Marke. Der Beklagte hat in dem Verfahren seinerseites die Einrede mangelnder Benutzung erhoben, weil der Kläger die Marke „PROTI“ nur in einer abgewandelten, ebenfalls als Marke eingetragenen Form benutzt hat.
Das zweite Verfahren betrifft einen Rechtsstreit des Unternehmens Levi Strauss & Co. gegen ein Handelsunternehmen. Levi Strauss ist Inhaberin mehrerer nationaler und internationaler Marken unter anderem einer für Hosen eingetragenen EU-Bildmarke. Nach den Darlegungen im Markenregister handelt es sich um eine sog. „Positionsmarke“, die aus einem roten rechteckigen Label aus textilem Material besteht, welches oben links in die Gesäßtasche von Hosen, Shorts oder Röcken eingenäht ist und aus der Naht hervorsteht. Die Beklagte hat seit September 2001 Jeanshosen auf den Markt gebracht, welche an der rechten Seitennaht der Gesäßtasche mit einem roten Stofffähnchen versehen sind. Die Klägerin sieht hierin Verletzung ihrer Markenrechte. Die Beklagte beruft sich darauf, die Klägerin habe die Klagemarke ausschließlich in abgewandelter Form und zwar mit der Aufschrift „LEVI’S“ benutzt. Diese in Wirklichkeit im geschäftlichen Verkehr benutzte Form sei auch als Marke registriert, weshalb nur diese Marke und nicht auch die Positionsmarke rechtserhaltend benutzt worden sei.
Hintergrund ist, dass der EuGH in seinem „Bainbridge“-Urteil aus dem Jahr 2007 (EuGH, Urteil vom 13.09.2007, Az.: C-234/06, GRUR 2008, 343 Rn. 86) entschieden hat, dass eine eingetragene Marke nicht durch die Verwendung eines abgewandelten Zeichens rechtserhaltend benutzt werden kann, wenn dieses abgewandelte Zeichen ebenfalls als Marke eingetragen ist. Der BGH hat die bei ihm anhängigen beiden Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH nun mehrere Fragen zur Reichweite dieser Aussage vorgelegt. Diese betreffen in dem Verfahren „PROTI“ die Vereinbarkeit des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG mit der Markenrechtsrichtlinie. Die deutsche Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG erlaubt die rechtserhaltende Benutzung einer Marke in einer abgewandelten, ebenfalls als Marke eingetragenen Form, wenn die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern.
Nach m.E. richtiger Ansicht des BGH stellt die deutsche Regelung keinen Verstoss gegen die Markenrechtsrichtlinie dar. Es besteht wie eingangs angesprochen naheliegenderweise ein erhebliches wirtschaftliches Interesse von Markeninhabern, ihre oft wertvollen älteren Marken zu modernisieren, ohne den Markenschutz und damit die Priorität der älteren nicht mehr benutzten Marke zu verlieren.
Das zweite Verfahren hinsichtlich der Rechte aus dem roten Label an den Jeanshosen von Levi Strauss unterscheidet sich von dem ersten Verfahren dadurch, dass die benutzte, als Marke eingetragene Form (rotes Stofffähnchen mit der Aufschrift LEVI’S) eine Kombination von anderen Marken des Markeninhabers darstellt (nämlich einer Bildmarke „rotes Stofffähnchen“ und einer Wortmarke „LEVI’S“) und die zusammengesetzte Marke keine geringfügige Abwandlung der aus den einzelnen Bestandteilen bestehenden Marken ist. Der BGH verfolgt m.E. hier mit Recht das Ziel im Interesse einer effektiven Durchsetzung der Markenrechte auch in einem solchen Fall von einer rechtserhaltenden Benutzung eines als Marke eingetragenen Zeichenbestandteils durch Verwendung der zusammengesetzten Marke ausgehen zu können. Markeninhaber haben ein schützenswertes Interesse, auch einen einzelnen Bestandteil einer zusammengesetzten Marke eintragen zu lassen, der vom Verkehr als eigenständiges Kennzeichenmittel aufgefasst wird.
Bleibt zu hoffen, dass der EuGH die vorgelegten Fragen im Sinne der deutschen Praxis entscheidet.
Vorinstanzen: BGH, Beschluss vom 17.08. 2011, Az.: I ZR 84/09 – PROTI; LG Köln, Urteil vom 16.09.2008, Az.: 33 O 484/06; OLG Köln, Urteil vom 20.05.2009, Az.: 6 U 195/08 sowie Beschluss vom 24.11.2011, Az.: I ZR 206/10 – Stofffähnchen II; LG Hamburg, Urteil vom 22.06.2004, Az.: 312 O 482/03; OLG Hamburg, Urteil vom 18.11.2010, Az.: 3 U 130/04
§ 26 Abs. 3 MarkenG (Benutzung der Marke) lautet: „Als Benutzung einer eingetragenen Marke gilt auch die Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung abweicht, soweit die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Satz 1 ist auch dann anzuwenden, wenn die Marke in der Form, in der sie benutzt worden ist, ebenfalls eingetragen ist.“
. Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 185/2011 vom 24.11.2011