Mit einem nun veröffentlichten Urteil vom 18.08.2010 hat das LG Frankfurt am Main entschieden, dass Hotels und damit letztlich auch andere Access-Provider grundsätzlich nicht für das unerlaubte Filesharing von Gästen haften.
Es hat damit die seit langem von Fachanwalt Dr. Jaeschke vertretene Rechtsansicht bestätigt (vgl. http://www.heise.de/resale/artikel/Haftung-von-Inhabern-gewerblicher-WLANs-fuer-Urheberrechtsverletzungen-Dritter-1071696.html).
In dem entschiedenen Fall ist der abgemahnte Hotelbetreiber als Kläger aufgetreten, da er von dem abmahnenden Rechteinhaber die ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten erstattet verlangt hat.
Das LG Frankfurt am Main hat dieser Forderung des Klägers stattgegeben.
I. Sachverhalt
Vorliegend bietet der Kläger seinen Gästen einen Internet-Zugang über ein drahtloses, unstreitig sicherheitsaktiviertes und verschlüsseltes Netzwerk an und weist diese zuvor u.a. auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften hin. Der streitbegründende Upload eines Werkes der Beklagten ist unstreitig weder durch den Kläger selbst noch durch dessen Angestellte erfolgt. Die von der Beklagten ausgesprochene Abmahnung war an das Hotel gerichtet, dessen Inhaber der Kläger ist. Dieser Abmahnung hat der Kläger mit anwaltlichem Schreiben widersprochen und die Beklagte unter Fristsetzung zum Ersatz der damit verbundenen Kosten aufgefordert.
II. Das Urteil des LG Frankfurt am Main
Das Landgericht hat zunächst festgestellt, dass die Abmahnung des Klägers durch die Beklagte wegen einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung zu Unrecht erfolgte.
1. Abmahnung des Hotels erfolgte zu Unrecht
Eine Haftung des Klägers als Täter oder Teilnehmer komme schon deshalb nicht in Betracht, weil unstreitig weder der Kläger noch dessen Angestellte ein Werk der Beklagten auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer einer Tauschbörse bereitgestellt und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht noch solches unterstützt haben.
Auch eine Haftung des Klägers als Störer komme vorliegend nicht in Betracht. Hinsichtlich seiner Gäste, denen er den Zugang zu dem verschlüsselten Funknetzwerk vermittelt hat, ergibt sich dies daraus, dass er diese zuvor auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hingewiesen hat. Eine weitergehende Prüfungspflicht vor einer ersten Rechtsverletzung bestehe für den Kläger – unabhängig von der Frage, ob sein Geschäftsmodell durch die Auferlegung präventiver Prüfungspflichten nicht ohnehin gefährdet wäre – auf Grund der Verschlüsselung nicht. Hinsichtlich Dritter ergibt sich dies ebenfalls auf Grund der einstreitig erfolgten marktüblichen Verschlüsselung des Funk-Netzwerkes mit dem dieses ausreichend gegen Urheberrechtsverletzungen durch Dritte gesichert war.
2. Abgemahntem Hotel steht Schadensersatz zu
Durch die unbegründete Abmahnung wegen vermeintlicher Schutzrechtsverletzung hat die Beklagte rechtswidrig in das Recht des Klägers am sog. „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ eingegriffen. Dieser Eingriff erfolgte auch schuldhaft, da die Beklagte jedenfalls fahrlässig handelte. Sie hat ohne die von ihr vorliegend zu erwartende Prüfung der Rechts- und insbesondere der Sachlage den Kläger abmahnen lassen.
Der dem Kläger deshalb dem Grunde nach zugesprochene Schadensersatz erstreckt sich auf die mit der Abwehr der Abmahnung verbundenen Kosten seines Rechtsanwalts.
Das Urteil des LG Frankfurt ist zu begrüßen.
Nach ganz einhelliger Rechtsprechung kommt einer IP-Adresse keine mit einem eBay-Konto vergleichbare Identifikationsfunktion zu. Anders als letzteres ist sie keinem konkreten Nutzer, sondern nur einem Anschlussinhaber zugeordnet, der grundsätzlich dazu berechtigt ist beliebigen Dritten Zugriff auf seinen Internetanschluss zu gestatten. Die IP-Adresse gibt deshalb bestimmungsgemäß keine zuverlässige Auskunft über die Person, die zu einem konkreten Zeitpunkt einen bestimmten Internetanschluss nutzt. Damit fehlt die Grundlage dafür, den Anschluss-Inhaber im Wege einer unwiderleglichen Vermutung so zu behandeln, als habe er selbst gehandelt. Das hat der BGH in der sog. Halzband-Entscheidung deutlich gemacht. Da der Kläger nach einhelliger Rechtsprechung auch nicht per se für Rechtsverletzungen durch seine Gäste oder sonstige Dritte haftet, kann ohne nähere Kenntnis der Sachlage im konkreten Fall der Anschlussinhaber gerade nicht einer Urheberrechtsverletzung bezichtigt werden, ohne dass sich der Bezichtigende zumindest Nachlässigkeit vorwerfen lassen musste. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei dem Bezichtigten wie vorliegend um einen Betrieb (hier: Hotel) handelt, zu dessen Serviceleistungen es unproblematisch erkennbar gehört, Dritten (hier: Hotelgästen) den Zugang zum Internet via Funk-Netzwerk zu ermöglichen. In einem solchen Fall hätte die Beklagte als Rechtsinhaberin vor Abmahnung erst sichere Kenntnis der Sachlage verschaffen müssen und können. Es wäre ihr bspw. unproblematisch möglich gewesen, unter Hinweis auf ihr an dem Werk … zustehende Urheberrechte und den vermeintlichen Veröffentlichungstatbestand den Kläger zur Äußerung bzw. zu konkreten Darlegung seiner Berechtigung zur Vornahme der angegriffenen Handlung aufzufordern („Berechtigungsanfrage“). So hätte sie ohne Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die starke Unsicherheit über den Verletzungstatbestand beseitigen oder – falls sich der Kläger als vermeintlicher Rechtsverletzer nicht geäußert hätte – danach unverschuldet eine Abmahnung aussprechen können.
3. Keine Revision zugelassen
Die Revision hat das LG Frankfurt nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung aufweise noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere. Diese Ansicht erstaunt, da die Rechtslage gerade nach den aktuellen anders lautenden Rechtssprechungstendenzen aus Hamburg (http://www.hotelier.de/news/2011/38036/Wie-haften-Hotels-Gaststaetten-oder-Internetcafes-fuer-Urheberrechtsverletzungen-durch-Filesharing) sicher nicht als einheitlich bezeichnet werden kann.
III. Praxistipp
Obgleich das Urteil des LG Frankfurt nicht bindend für andere Landgerichte ist, haben gewerbliche WLAN-Anbieter wie Hotels etc. fachanwaltlich beraten eine Reihe von Möglichkeiten, ihre immerhin derzeit nicht vor allen Gerichten auszuschließende potentielle Haftung auch bei der bestehenden Rechtslage zu minimieren. Anbieter gewerblicher WLAN-Netze sollten sich daher nicht ohne Not einer viel naheliegenderen erheblichen Haftung aussetzen, indem sie gegen das Datenschutz- und Telekommunikationsrecht verstoßen, um abmahnenden Kanzleien und deren Auftraggebern bei der Durchsetzung von – möglicherweise – bestehenden zivilrechtlichen Ansprüchen gegen die eigenen Gäste als Gehilfe zu dienen.
Welche Pflichten gewerbliche WLAN-Betreiber ggf. treffen, wird wie im Falle der Haftung von Privatpersonen zum Filesharing Dritter letztlich der BGH festzulegen haben.
Hierbei ist indes zu erwarten, dass der BGH weit weniger rechteinhaberfreundlich entscheiden würde, als im Falle der Haftung Privater. Auch die Abgabe einer Vielzahl von vorbeugenden strafbewehrten Unterlassungserklärungen nach „Chart-Container“-Abmahnungen o.ä. ist für gewerbliche WLAN-Anbieter nicht anzuraten.
Die aktuelle Entscheidung des LG Frankfurt am Main weist den richtigen Weg.
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.08.2010, Az: 2-6 S 19/09; abrufbar unter openJur 2011, 13522: https://openjur.de/u/83542.html; Vorinstanz: AG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.09.2009, Az. 31 C 266/08-16.